Den folgenden Vierzeiler hat Johann Wolfgang von Goethe für sich, aber irgendwie auch für mich geschrieben:
Vom Vater hab ich die Statur,
des Lebens ernstes Führen,
vom Mütterchen die Frohnatur
und Lust zu fabulieren.
Als Beleg dafür folgende Hinweise:
- Eine meiner ersten Kinderlektüren waren Bilderbücher über die Irrfahrten des Odysseus. Und die Büsten von Sokrates und Plato erkannte ich schon in einem Alter, in denen ich deren Namen kaum aussprechen konnte. Was bei einem altphilologischen Lehrervater und leidenschaftlichen Verteidiger einer humanistisch-klassischen Bildung nicht verwunderlich ist.
- Eine weitere frühe Erinnerung zeigt mich in der Badstube mit meiner Mutter – im Brot- und Butterberuf Lehrerin für Deutsch und Geschichte. Ihre stets zeitaufwändige Morgentoilette nutzte sie gerne, um Gedichte zu lernen, die sie bei literarischen Abenden vortrug. Ich hörte sie dabei ab und fand das sehr vergnüglich, weil die Autoren Heine, Kästner, Morgenstern oder Tucholsky hießen.
- Ich selbst habe meinen Eltern übrigens einmal eine große Freude damit bereitet, ihnen als Weihnachtspräsent Schillers „Die Kraniche des Ibykus“ (23 Strophen mit je acht Versen) auswendig zu rezitieren. Im Jahr darauf folgte „Die Bürgschaft“ – ebenfalls sehr lang und ebenfalls von Friedrich Schiller.
Viele Bücher, kein Smartphone
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mit mir im Elternhaus jemals gebastelt, gemalt oder gehandarbeitet wurde. Dafür gab es viele Bücher und noch kein Smartphone. Diese digitale Abstinenz war für die Babyboomergeneration, der ich angehöre, völlig normal. Meine Kindheit war noch durch und durch analog.
Vielleicht liegt es daran, dass mein erstes Wort nicht „Play Station“, sondern – so überliefert es die Familienlegende – “Wau-Wau“ war. Diese Leidenschaft hat sich erhalten. Aber heute sage ich altersadäquat „Hund“ oder benenne die korrekte Rasse.
Dinge passieren. Berufe auch.
Über verschiedene Umwege, darunter ein Studium des Bibliothekswesens und der Literaturwissenschaft sowie ein journalistisches Volontariat bei einem Zeitschriftenverlag, wurde aus mir irgendwann eine PR- und Marketingfrau in einem sehr großen Unternehmen, das mit Kunst und musischer Kultur sehr wenig zu tun hat. Wie es dazu kommen konnte, kann ich nicht mehr im Detail rekonstruieren. Es ist eben irgendwie passiert.