Berlin verdichtet

Durch eine glückliche Fügung, die ich mir hart erarbeitet habe, konnte ich im Jahr 2022 einige Wochen in meiner Herzensstadt Berlin verbringen. Ich bin dort nämlich geboren, wurde aber im zarten Alter von nur drei Jahren ins Oberschwäbische umgesiedelt; eine Gegend, die seit der fortschreitenden Gentrifzierung in Berlin unter Bevölkerungsschwund leidet, weil der Schwabe und die Schwäbin bekanntermaßen ja gerne in Berlin leben.

Ich selbst habe mich übrigens für einen neutralen Wohnort entschieden: die hessische Landeshauptstadt. Nein, das ist nicht Frankfurt am Main, sondern Wiesbaden.

Zurück nach Berlin und meinem intensiven Kurzzeitaufenthalt, bei dem es einige Erlebnisse gab, die es verdienten, verdichtet zu werden.

Einen Auszug dieser „Berliner Verse“ finden Sie hier:

Friedrichshain

Ich war nur kurz in Friedrichshain,
denn länger wollt‘ ich dort nicht sein.

Im Kiez-Cafe gibt’s Chili. Lecker.
Doch eines geht mir auf den Wecker:

Das Chili ist nicht „con“, nur „sin“.
Statt Carne steckt da Tofu drin.

Und dann werd‘ ich auch noch gefragt,
ob mir ein Klecks Creme Fraiche behagt.

Ich sage „Klar, das muss doch sein!“
Der Kellner sagt: „Das stimmt nicht, nein,

das isst man nicht in Friedrichshain.
Wer hier lebt, muss Veganer sein.“

© Corinna Freudig 2022

Morgen ist noch weniger Lametta oder: Besuch im Futurium

Mit großen Augen schlendert rum
ein Mensch durch das Futurium.

Er staunt, was künftig alles geht,
wenn er vor den Objekten steht.

Da gibt’s in Megacities Farming
und Robogirls wie Princess Charming.

Insekten nutzt man bald zum Putzen,
und kann sie biolektrisch nutzen

und essen natürlich sowieso,
gekocht, gebraten oder roh.

Für Eltern gibt’s ein Wunsch-Genom
für Nachwuchs in perfekter Form.

Der ÖPNV, der fährt bald oben,
denn Flugtaxis sirren jetzt da droben. 

Und dies. Und das. So viel wird möglich.
Der Mensch findet‘s nur schwer erträglich.

Im Jetzt herrscht Krieg und Diktatur.
Im Hier von Frieden keine Spur.

Hungersnot, das Klima streikt.
Die Menschheit hat so viel vergeigt.

Acht Milliarden. Vielen geht’s schlecht.
Wird die Zukunft das ändern?
Unser Mensch glaubt’s nicht recht.

„Über morgen“, denkt er, „will ich nichts wissen.
Die Gegenwart ist genügend beschissen.“

© Corinna Freudig 2022

Tempi Passati: ein Besuch im Restaurant Borchardt

Ich hab‘ nichts gegen Kinder, ehrlich,
Jedoch ich finde sie entbehrlich.
Nicht überall, wo ich gern bin,
steht mir nach ihnen g’rad der Sinn.

Kennt ihr das Borchardt in Berlin?
Da ging ich früher gerne hin.
Einst traf man dort berühmte Leute,
Die ganze Film- und Fernsehmeute.

Berühmt ist außerdem das Schnitzel,
das sorgt für feinsten Gaumenkitzel.
Doch heute? Ist’s ein Kindergarten,
Wer reinkommt, muss erst einmal warten,
weil Wohlstandskids hier lauthals toben,
die Eltern dies sogar noch loben:

„Ach, es hat so viel Temperament!“
Das Balg den Kellner fast umrennt.
Ganz achtsam mahnt die Frau Mama,
„Carl-Friedrich, bitte, Ruhe da.“
Der Vater schweigt und schlürft laut raus da,
was er so findet in der Auster.

Mama pickt lustlos im Salat,
obgleich sie BMI 18 hat.
Der BMW X8 muss draußen parken.
Die Kleinen tragen teure Marken
und meckern, mosern, murren, motzen:
Auch fein gekleidet kann man trotzen.

Die Wut bei mir steigt hoch und höcher
Auch bei den Eltern gibt es … Vollidioten.
Mich hungert’s trotzdem. Mein Bauch ist leer.
Doch Lust auf Schnitzel ist nicht mehr.
Es wogt mein Zorn, es wallt mein Blut,
Dagegen tut nur Blutwurst gut.

Versteh‘ jetzt, wo die Promis sind:
Irgendwo mit ohne Kind.

© Corinna Freudig 202

Richard III

Ich musste viele Jahre warten,
Doch dann bekam ich sie, die Karten.
Für Shakespeares Drama „Richard drei“.
Die Titelrolle spielt Lars Ei-
Dinger. Ein virtuoser und famoser,
Schauspieler, ein grandioser.

Höchst dämonisch spielt er den Schlechten,
Der meucheln lässt und auch entrechten
Brüder, Frauen und Vasallen,
Misstrauen hegt bei einfach allen.
Sein Plan geht auf, er scheint zu siegen,
Tät‘ er nicht Paranoia kriegen.

Am Schluss ist er nur noch ein wirrer,
faselnder, wahnhafter, brabbelnder Irrer.
Richards gibt es noch immer heute,
sie regieren brutal, ihr Wahnsinn macht Beute.
Wie im Kreml der Putin, Wladimir.
Der Teufel dachte, den “hol ich mir“.

Putin, du Schlächter und Menschenverächter!
Auch für dich gibt es am Ende kein Pferd
Und kein Königreich. Du bist es nicht wert.

© Corinna Freudig 2022

Prenzlauer Berg

Auch Prenzelberg hab‘ ich erschlossen,
das hat den Vogel abgeschossen.
Ganz Prenzelberg ist eine Kita,
Denn Kids gehören hier zur Vita.
Am besten viele. Warum auch immer.
Die Menschheit macht doch alles schlimmer.
Sie haben alle hippe Namen:
Jasper, Lotta, Noah, Ramen.
Ach ne, das ist die Nudel-Suppe
vom Japaner. Naja, schnuppe.

© Corinna Freudig 2022

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